Und – da war er wieder! „Ich habe das Bewusstsein getroffen“, hauchte, flüsterte, atmete, grunzte, zwitscherte, blubberte, kreischte er voller Glück, der kleine Mann auf der roten Bank. Das Reine, das Klare, das Echte, das Gute, das Tiefe, das Böse, das Allumfassende, das Würgende, das Erhellende, das Liebliche, das Sanfte, das Wilde, das Kugelförmige, das Strichförmige, das Flächige, das Pyramidische – das Bewusstsein, das Klare, jenseits aller Worte, aller Beschreibungen und aller Gefühle. Weiblichkeit, alle Gegensätze, diesseits und jenseits, überall. Überall seiend und nicht-seiend, wahnsinnig, wortschöpfend, wortvernichtend, musivisch und pyramidisch, beglückend und bedrohend, einsam und im karnevalesken Tanz eingetaucht, mittenrein… oder daneben? Oder hab ich’s nur geahnt oder nur gefühlt? Oder nur beschrieben?“ Dann machte er eine lange Pause und ich wusste, ich hatte zu schweigen – interessiert, aufmerksam, ruhig, abwartend, fröhlich, hingebungsvoll – einfach zu schweigen. Dann sprudelte er weiter: „Der Kölner Dom, das Straßburger Münster, alles ist miteinander verbunden und doch getrennt. Es gibt keine Paradoxien, das Klatschen der einen Hand, das Würgen des Mörders und das Würgen des Reihers und der Selbstmord von Herrn Klein – alles ist Eins. Und doch sind es zwei, drei, vier, tausend Dinge. Steppenwolf und Werter – sie alle sind Nichts und Alles. Bewerten oder nicht bewerten? Alles ist richtig und falsch. Jenseits der Disziplin, des Fleißes, der Willkür lauert die Demokratie, lauert die Diktatur, überall lauert alles. Die ordnende Hand von Einsteins Wahnsinn und der Wahnsinn des Massenmörders Hitler, Seneca, Thatcher, zweimal Bush – alles Eins, kein Unterschied. Gelassenheit und Wut, ruhige Kraft und zerstörerische Ekstase, heilende Blicke und heilende Hände, Medizin oder Chemie – alles Eins. Alles unwichtig. Das Eine und das Alles, das Alle und die Zwei, Gefühl, Verstand, Verhalten, Zielorientierung, Absichtslosigkeit, Sabbath oder nicht Sabbath, Sabbern oder Spucken – alles Wurst und nur sie hat am Ende zwei Enden. Es war klar und beglückend, hauchte er noch erschöpft, dann schlief er in meinem Arm ein. Der kleine Mann auf der roten Bank, da war er wieder gewesen und es sollte weitergehen.
Bonn, am 4.3.2022
F.K. Emmrich